Autismus und Corona-Pandemie: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Lernende im Autismus-Spektrum
Die Corona-Pandemie hat den Schulalltag auf den Kopf gestellt. Besonders Lernende im Autismus-Spektrum waren von den raschen Umstellungen betroffen. In diesem Beitrag erfahren Lehrer:innen, Fachkräfte, Schulbegleitungen und Eltern, welche spezifischen Herausforderungen autistische Schüler:innen während der Pandemie erlebt haben, welche Unterstützungsstrategien sich bewährt haben und wie Sie langfristig Resilienz fördern können.
Besondere Herausforderungen nach den Schulschließungen
Als Schulen plötzlich schlossen, mussten Familien von einem Tag auf den anderen Homeschooling organisieren. Viele autistische Schüler:innen reagieren stark auf Veränderungen, da Routine und Vorhersehbarkeit zentrale Stabilisatoren sind. Durch die fehlenden Strukturen berichteten Eltern von erhöhter Reizbarkeit und Stress. Genova et al. wiesen nach, dass autistische Lernende dreimal häufiger negative Veränderungen erlebten als ihre neurotypischen Mitschüler:innen. Lernende mit dem Asperger-Syndrom schilderten, dass sie die gewohnte Schulumgebung vermissten, weil dort klare Abläufe und spezialisierte Förderung vorhanden waren.
Einfluss von Homeschooling auf die Lernmotivation
Im Homeschooling lag die Verantwortung für pädagogische Struktur plötzlich bei den Familien. Ohne geschulte Schulbegleitungen fiel es vielen Eltern schwer, Lernziele zu vermitteln und gleichzeitig Verhaltensregulation zu unterstützen. Die Studie verdeutlicht, dass Motivation bei autistischen Schüler:innen eng mit visuell klaren Aufgaben und festen Zeitfenstern zusammenhängt. Ein Mangel an visuellen Hilfen und die Ablenkung durch das häusliche Umfeld führten zu einer geringeren Lernbeteiligung.
Welche Rolle spielte digitale Kommunikation während der Corona-Pandemie?
Digitale Lernplattformen boten zwar Zugang zu Unterrichtsmaterial, doch autistische Schüler:innen berichteten von Überforderung durch Video-Chats. Die gleichzeitige Verarbeitung von Gesichtsausdrücken, Ton und eigenem Bild erhöhte den kognitiven Aufwand. Viele Kinder im Autismus-Spektrum nutzten den Chat statt der Kamera, um sich mitzuteilen. Dies zeigt, dass unterschiedliche Kommunikationskanäle wichtig sind, um Lernende zu erreichen. Lehrkräfte sollten daher digitale Tools flexibel einsetzen und klare Anweisungen geben, damit autismus-gerechtes Lernen gelingen kann.
Auswirkungen der Pandemie auf soziale Interaktion und Inklusion
Der Wegfall von Präsenzunterricht führte zu weniger direktem Kontakt mit Mitschüler:innen. Für viele autistische Kinder, die ohnehin Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion haben, war dies Chance und Risiko zugleich. Einerseits reduzierte die Distanz Stress, der in voll besetzten Klassen entsteht. Andererseits fehlte die Möglichkeit, soziale Fähigkeiten in einem geschützten Umfeld zu üben. Langfristig droht ein Entwicklungsrückschritt, wenn Trainingssettings in der Schule fehlen. Inklusion muss daher auch digital geplant werden, etwa durch moderierte Kleingruppenarbeit oder „Buddy“-Systeme.
Stress und familiäre Belastung während der Corona-Pandemie
Die Studie betont, dass familiäre Belastungswerte deutlich zunahmen. Eltern übernahmen gleichzeitig Beruf, Betreuung und Unterricht. Autistische Kinder fragten häufiger nach Hilfe, wodurch sich Stress in der Familie kumulierte. Faktoren wie beengte Wohnverhältnisse, fehlender Zugang zu Therapien und unterbrochene Förderangebote verschärften die Situation. Fachkräfte sollten deshalb Familiensysteme in den Blick nehmen und niedrigschwellige Beratungsangebote schaffen.
Positiven Erfahrungen von autistischen Schüler:innen?
Trotz aller Herausforderungen berichteten einige Lernende auch von positiven Effekten. Wegfallender Schulweg und reduzierte sensorische Reize führten zu weniger Erschöpfung. Besonders Schüler:innen, die sich in großen Klassen unwohl fühlen, schätzten das Lernen im ruhigen Umfeld. Dies legt nahe, dass flexible Lernmodelle wie hybrider Unterricht für manche autistische Schüler:innen vorteilhaft sein können. Schulen können aus diesen Erfahrungen ableiten, wie sie zukünftige Lernumgebungen anpassen.
Wie können Lehrkräfte den Unterricht nach der Corona-Pandemie anpassen?
Nach der Rückkehr in die Schule brauchten autistische Lernende klare Übergangsstrategien. Lehrkräfte hätten visuelle Tagespläne nutzen können, um Sicherheit zu geben. Regelmäßige Check-ins hätten geholfen, Stress frühzeitig zu erkennen. Sensorische Pausenräume können Rückzugsmöglichkeiten ermöglichen. Genova et al. empfehlen, digitale Inhalte weiterhin bereitzustellen, sodass Schüler:innen bei Bedarf von zu Hause aus arbeiten können.
Welche Lehren ziehen wir für künftige Krisensituationen?
Die Pandemie hat gezeigt, dass Schulen Krisenpläne brauchen, die Inklusion berücksichtigen. Digitale Barrierefreiheit, flexible Lernsettings und psychosoziale Unterstützung sind essenziell. Fachkräfte sollten mehrsprachige Materialien anbieten, damit alle Familien erreicht werden. Regelmäßige Evaluation sichert, dass Interventionen wirken und Lernende im Autismus-Spektrum nicht zurückfallen. JuCare setzt sich dafür ein, Best-Practice-Konzepte zu verbreiten, damit Schulen künftige Herausforderungen resilient bewältigen.
Fazit
Die Corona-Pandemie hat Routinen für autistische Schüler:innen massiv verändert. Homeschooling und der Wegfall sozialer Kontakte führten zu erhöhter Überforderung, zugleich zeigten hybride Lernmodelle Potenzial für mehr Selbstbestimmung. Mit klaren Strukturen, visuellen Hilfen und flexibel nutzbaren digitalen Angeboten lassen sich Lernumgebungen gestalten, die autistische Kinder und Jugendliche nachhaltig unterstützen.
Wie JuCare Sie unterstützt
JuCare bietet Ihnen als Lehrkraft, Fachkraft, Schulbegleitung und Eltern autistischer Schüler:innen maßgeschneiderte Fortbildungen und Beratung. In der JuCare Akademie finden Sie praxisorientierte Seminare zu inklusiver Pädagogik und digitalen Lernformaten. Unsere Expert:innen begleiten Sie in Fortbildungen dazu, wie Sie autistische Lernende optimal fördern und dabei Belastungen für Familien reduzieren. Weitere Informationen stehen auf der JuCare-Website bereit.
Quelle: Effects of School Closures Resulting From COVID-19 in Autistic and Neurotypical Children